Gründerzeit 1919 – 1922

Als man im Herbst 1919 aus den Sommerferien ins Marianum zurückkehrte, war die Erinnerung der Zöglinge an den Abwehrkampf aber auch an die Kameradschaft jener Tage so groß, dass bald der Gedanke einer Verbindungsgründung aufkam. Das diese Verbindung eine Katholische sein sollte, begründet sich in der Tatsache, dass deren Gründer im Marianum auf den späteren Priesterberuf vorbereitet wurden und zu dieser Zeit keine Verbindung an der Anstalt bestand. Auch dürfte wohl das gesellige Moment einer Verbindung für die Zöglinge des Marianums recht attraktiv gewesen sein. Die rechtliche Grundlage von Verbindungsgründungen wurde am 30.10.1918 gelegt, als die provisorische Nationalversammlung alle Beschränkungen des Vereinsrechtes aufhob. Bis dahin existierten Mittelschulverbindungen im Untergrund. In der Praxis fand die Koalitionsfreiheit allerdings keinen Niederschlag, da diese vielfach durch die Disziplinarordnungen der verschiedenen Schulen ignoriert wurde. So kam es schließlich zu heftigen Protesten der Mittelschüler. Erst am 30.7.1919 beseitigte ein Erlass des deutsch-österreichischen Unterstaatssekretärs für Unterricht alle Hindernisse, die der Koalitionsfreiheit im Wege standen. Endlich wurde auch Mittelschülern das Recht eingeräumt, Vereinen anzugehören. Im Zuge dieses Erlasses kam es zu einem regelrechten Boom von Verbindungsgründungen, in dessen Zuge auch Gral gegründet werden sollte.

Diese Beweggründe gipfelten am 1.10.1919 – mit Erlaubnis des Direktors des Marianums – in der Gründung der Katholisch Deutschen Mittelschulverbindung (K.D.M.V.) Gral zu Klagenfurt. Gral war somit eine der ersten katholischen Verbindungen der Republik. Die Gründer der Verbindung waren Alois Maier v. Erek und Leonhard Schilcher v. Wolfhart aus der 6. Klasse. Die 7. Klasse besuchten Martin Fuchs van Kettel v. Iwein, Adam Gartner v. Ilenot, Franz Pirker v. N.N. und Erwin Winkler v. Parzival. Die Maturaklasse besuchen Johann Fellner v. Anfortas, Raimund Jochum v. Titurel und Otto Wogatai v. Feirefiz. Alle Gründer waren Schüler des Staatsobergymnasiums in Klagenfurt, und wohnten im fürstbischöflichem Knabenseminar „Marianum“.

Als Farben wurden gold-weiß-blaue Burschenbänder und weiß-blaue Fuchsenbänder und weiße Seidenmützen gewählt. „Für Gott und unser Volk“ wurde der Wahlspruch der neuen Korporation.

Die Wahl der Farben, der Mützenfarbe und des Wahlspruches lassen eindeutig die zutiefst katholische Überzeugung der Gründer erkennen. Das weiße Couleur wurde bewusst im Kontrast zu den schwarzen Kutten der Priesterseminarszöglinge gewählt. Die ersten beiden Farben (gold-weiß) des Burschenbandes ähneln wohl auch nicht zufällig den Kirchenfarben gelb-weiß. Auch der Wahlspruch zeigt das katholische Bewusstsein der Gründer.

Zum ersten Senior der Verbindung wurde der Septimaner Martin Fuchs van Kettel v. Iwein gewählt. Von Anfang an hatte die Verbindung ihren Sitz im fürstbischöflichem Knabenseminar „Marianum“, Ecke Völkermarkterstraße-Rudolfsbahngürtel, wenngleich von einer Bude, wie sie heute bekannt ist, nicht gesprochen werden kann.

Die Gründung Gralis führte aber auch zu Spannungen zwischen den Klagenfurter Korporationen Karantania und Gothia, die in der Zeit vor der Gründung der Verbindung begründet sind.

Am 2.2.1919 einigten sich Vertreter von Karantania und Gothia, vorerst nur Karantania aufzubauen und Gothia noch nicht zu reaktivieren, da nach Ansicht der Karantanen Klagenfurt noch zu klein für zwei katholische Verbindungen sei. Als es nun aber zur Unterstützung seitens Karantaniae für Gral kam, waren die Gothen nicht unberechtigt verstimmt. So wurden etwa die Statuten Karantaniae in leicht abgeänderter Form von Gral übernommen, eine Tatsache, die noch öfters in der Geschichte der Verbindung vorkommen sollte.

Mit der Gründung Gralis bekam das katholische Couleurwesen in Kärnten wieder einen Aufschwung. Nachdem Gothia noch nicht reaktiviert war, ebenso die St. Pauler Verbindungen Sponheim und Austria, stand Gral neben Karantania als zweite katholische Verbindung einer nationalen Übermacht gegenüber.

In der ersten Zeit nach der Gründung hallte noch lange der Abwehrkampf nach. Am 4.11.1919 stiftete das Land Kärnten das Kärntner Kreuz. Dieses erhielten bei der Dekorierungsfeier am 8.12.1919 für Tapferkeit die Gralgründer Johann Fellner v Anfortas, Martin Fuchs van Kettel v. Iwein, Adam Gartner v. Ilenot, Raimund Jochum v. Titurel, Leonhard Schilcher v. Wolfhart und Otto Wogatai v. Feirefiz. Drei, allerdings spätere Gralritter, erhielten ebenfalls das Kärntner Kreuz. Es waren dies: Sylvester Leer, Mitglied des Wehrausschusses der das Allgemeine Kärntner Kreuz für Verdienste erhielt, sowie die Karantanen Hans Richter v. Alarich und Josef Sagaischek v. Egfried, die das Allgemeine Kärntner Kreuz für Tapferkeit erhielten.

Erstmals in der Öffentlichkeit trat die Verbindung anlässlich des 2. Katholisch Deutschen Studententages für Kärnten von 22.- 23.8. 1920 auf. Diese Veranstaltung stand unter der Leitung des Karantanen Dr. Igo Tschurtschenthaler und vereinigte alle katholisch farbentragenden Akademiker und Studenten Kärntens zu gemeinsamer Arbeit.

Kurz darauf, am 10.9.1920, wurde Gral in den Verband katholisch-deutscher Pennalverbindungen (VPV), als 37. Verbindung aufgenommen. Der VPV wurde am 10.4.1919, also noch vor der Gründung der Verbindung unter maßgeblicher Arbeit von Franz Maria Pfeiffer v. Dr. Lohengrin gegründet.

Der 10.10.1920 brachte schließlich den erhofften Erfolg der Volksabstimmung, in der sich rund 60 % der Bevölkerung Unterkärntens für den Verbleib bei Österreich aussprachen. Dieses von Seiten der Verbindung freudigst begrüßte Ereignis entledigte die leidige Sorge um die Südgrenze Kärntens.

Das dieses Ereignis auch in Wien seitens des VPV freudig aufgenommen wurde, zeigt ein Brief des VPV vom 12.10.1920, gerichtet an Karantania und Gral, in dem es wörtlich heißt:

„Liebe Verbandsbrüder!
Freudig bewegten Herzens erhielten wir Kunde von dem Sieg, den
die Kärntner errungen. Sieghaft bleibt deutsche Treue über
slawische Beutesucht! Ein Lichtstrahl in der Tage Trübnis ist uns
dieser Sieg! Gewähr gibt er uns, dass der Tag kommen wird, wo das
stolze Hirn unserer Feinde hinsinkt und die Sklavenketten
klirrend reißen. Jubelnd grüßen wir Euch Kärntner Verbandsbrüder!
Heil dem ungeteilten Kärnten! Heil Karantania und Gral!
i.A.d.VZ d. VPV
Franz Pfudl“

Wenn auch der Brief in einer für unsere Zeit radikalklingenden Sprache verfasst ist, so gibt er doch einen schönen Einblick, wie im Jahre 1920 über den politischen Gegner gedacht wurde.

Von Anfang an suchte Gral Kontakt zu anderen katholischen Verbindungen. Wie bereits berichtet, hatte man regen Kontakt mit Karantania.

Als am 31.10.1920 in Knittelfeld die K.D.St.V. Nibelungia gegründet wurde, erhielten die Gralritter Martin Fuchs van Kettel v. Iwein, Raimund Jochum v. Titurel, Otto Wogatai v. Feirefiz sowie ein weiterer namentlich unbekannter Gralritter das Ehrenband Nibelungiae.

Kontakt gab es auch zu CV Verbindungen. So besuchten Chargierte der akademischen Verbindungen Austria Innsbruck, Rudolfina Wien und Traungau Graz den Weihnachtskommers der Verbindung im Dezember 1920.

Zuvor allerdings wurde am 11.11.1920 das erste Stiftungsfest der Verbindung gefeiert, das wegen des verspäteten Schulbeginns gemeinsam mit dem Antrittskommers stattfand.

Nachdem einige Gralritter maturiert hatten, wurde im Jänner 1921 der Altherrenverband der Verbindung gegründet. Zum ersten Philistersenior wurde Otto Wogatai v. Feirefiz gewählt, der diese Charge bis 1925 innehaben sollte.

Wie das Verbindungsleben in den ersten Semestern seit der Gründung verlief, zeigt der Bericht des WS 1920/21. Neben den für eine Verbindung typische Veranstaltungen, wie Kommerse, BC’s und AC’s wurden eine Vielzahl wissenschaftlicher Abende abgehalten, und zwar zum Beispiel zu folgenden Themen:

1. Peter Paul Rubens Kunst in der Religion

2. Zwei Monate in Basel

3. Abraham a Santa Clara

4. Der Magnetismus im Menschen

5. Warum und wie man ein Tagebuch führt

6. Das Kärntnerlied

7. Die Sonne

8. Wie weit blicken wir ins Universum

9. Student und Wandern

10. Die Schmarotzer des Menschen

Allerdings wurden die Zeiten für die beiden katholischen Verbindungen härter.

Im Sommer 1921 musste Karantania mangels Nachwuchses sistiert werden, und somit war Gral die einzige katholische Verbindung Kärntens. Am 8.9.1921 wurde Gral nach einjähriger Probezeit als vollwertiges Mitglied in den VPV aufgenommen.

Doch am 17.1.1922 musste auch Gral sistiert werden. Die Heimleitung des Marianums hatte Monate vorher den Verbindungsbetrieb untersagt, sodass dieser Schritt der einzige Ausweg blieb. Die Verbindung bestand bei ihrer Sistierung aus 8 Urphilistern, einem Ehrenphilister und 8 Aktiven. Die Aktiven wurden als außerordentliche Mitglieder in den Altherrenverband aufgenommen. Geplant war, wie einem Schreiben aus jenen Tagen zu entnehmen ist, in den Heimatorten der Aktiven eventuell Ferialverbindungen zu gründen. Zu diesem Vorhaben ist es aber nie gekommen.

Für Karantania besserte sich allmählich die Lage, sodass am 1.5. 1922 diese reaktiviert werden konnte. An der Reaktivierung war auch der Gralfuchs Josef Maier v. Parzifal beteiligt.

Im Oktober 1922 schien es, als würde auch Gral wieder vor der Reaktivierung stehen. Schrieb doch Hans Bausenwein (GOW), dass 6 Füchse aus der 6. Klasse und zwei Burschen aus der Maturaklasse bereit wären, die Verbindungen zu reaktivieren. Allerdings bereitete der Direktor des Marianums Schwierigkeiten, weil im Seminar auch slowenischsprachige Mitschüler wohnten und er Konflikte mit einer Studentenverbindung befürchtete. So blieb es lediglich beim Versuch einer Reaktivierung.